Weinreise in die Toskana
Toskana
im Juli 2004
Wieder
eine Weinreise nach Italien, ins Anbaugebiet des Chianti classico. Erstes Ziel
ist der Borgo di Ama, ein im Laufe des vergangenen Jahrhunderts verlassenes
Dorf, dann als Investition erworben und zu neuem Leben erweckt. Das war vor gut
30 Jahren, als Chianti im Fiasco verkauft wurde, mit Chianti-Wein überhaupt
nicht Staat zu machen war und die Supertoscani – die besonderen Cuvées, denen
zuerst die DOC verweigert wurde, bevor sie sich der DOC entzogen – noch ihrer
Erfindung harrten.
Mein
Chauffeur, der mich am Bahnhof von Florenz abholte, meint unterwegs, ich werde
es sehr schön haben im Castello di Ama, er sei oft dort gewesen. Wir sind schon
eineinhalb Stunden gefahren, da fragt er sich: Hanno spostato il castello? –
Haben sie das Schloss verschoben? An der Kapelle steigt er aus und schaut sich
vergebens um, wie's nun weiter gehen soll, dabei sind wir schon angekommen.
Heute
spiegelt sich der Castello di Ama in seiner eigenen Kunst, und die Kunst lässt
Durchblicke auf die neuen und die alten, neu entstandenen Rebberge zu.
Ama
am frühen Morgen ist erfrischend, still, von Dunst und zarten Farben umgeben.
In der Ferne die Hügelketten und alles so arrangiert, als hätten Natur und
Menschen sich bemüht, Millionen von Toskana-Bildern naturgetreu nachzubilden.
Kurz nach 7 Uhr schaut die Sonne über den Hügel und brennt auch gleich darauf
sengend heiss. Unten in der Mulde am Fusse der Reben, in einem kleinen Teich,
endet die Nachtruhe der Frösche. Tarnfarben, nahezu unsichtbar im Wasser
sitzend, überquaken sie sich gegenseitig. Dann übernehmen die Grillen die
akustische Führung. Ihr Ohren betäubendes Schrillen wird uns bis in den späten
Nachmittag verfolgen.
Das
Klima in Ama ist für die wichtigste Rebsorte, Sangiovese, gar nicht so günstig
wie in tieferen Lagen – im Winter wird es gelegentlich eisig und sind die
Rebberge Schnee bedeckt. Aber jetzt ist Sommer, die Trauben sind gross und grün,
das Gras bereits stellenweise dürr, der Himmel hängt voller Schwalben.
Manchmal
bleibt zwischen den Kellereibesuchen ein wenig Zeit für den Besuch eines
Städtchens,
Radda oder Gaiole oder Greve. Nicht gerade als Sehenswürdigkeiten berühmte
Ortschaften, sondern einfach Orte an unserem Weg der Weinstrasse entlang.
Morgens finden sich die Männer zum Zeitungslesen und Schwatzen auf den Plätzen
zusammen, nachmittags sitzen sie in der Bar beim Kartenspiel. Die Frauen haben
sich vor die Häuser gesetzt.
Es
ist heiss und wird von Tag zu Tag noch heisser. Das Schokoladeneis der
Gelati-Verkäuferin ist so üppig und süss, dass man sich das nächste
Abendessen – viele Stunden später – überhaupt nicht mehr vorstellen kann.
Dabei schmolz doch ein Grossteil der mächtigen Portion von der Hitze gleich
davon.
Bei
Dario Cecchini in der Antica Macelleria di Greve. So wie auf dem Bild schaut er
auch aus dem Schlitz seiner ganz besonderen Visitenkarte heraus. Die Metzgerei
ist ein teures Schlaraffenland, ein Mekka der Lifestyle- und
Food-Berichterstattung. Man kann sich schon am frühen Morgen dort satt essen
(und trinken). Das Fenster des Kühlraums gibt den Blick auf Schweinehälften
frei, die darauf harren, von D.C. veredelt zu werden. Das Personal ist die
fotografierenden Besucherhorden gewöhnt.
Zum
Schluss noch ein paar Stunden in Florenz. Wir haben die Stadt und die Dom-Kuppel
tags zuvor von Machiavelli's Exil-Domizil aus in der Ferne durch den Dunst
schimmern gesehen. Es ist ganz gewaltig heiss an diesem Samstag. Heerscharen
schwitzender Touristinnen und Touristen flanieren durch die Stadt.
Was
uns die Leckereien von Scudieri, ist dem Ross sein Habersack. Der Dom ist so
riesig gross, dass die Heckscheibe des Autos als Weitwinkellinse herhalten muss.
Unter Arkaden am Arno-Ufer geben sich blonde Frauen endlosen Küssen mit braun
gebrannten Männern hin, während wir bei einem Bier nach Erfrischung suchen.
Auf dem Ponte Vecchio ein Blick auf Benvenuto Cellini, den genialen
Renaissance-Sculpteur, der Hector Berlioz zu einer wunderbaren Oper inspirierte.
Auf der anderen Arno-Seite, Weg weisend, ein neuzeitlich gestalteter Heiliger
(Franziskus könnte es sein; es ist halt auf den Sockel geschrieben). Dann über
die nächste Brücke zurück zu den Uffizien und den aufgereihten Vespas. Das
war die Reise in die Toskana. Vom Wein ist anderswo zu lesen.
Lisanne
Christen, August 2004